19. Karate-Sommerlehrgang in Neustadt/Ostsee

Wie in den Vorjahren nahm wieder der harte Kern unseres Karate-Dojos IPPON Schleswig e.V. für drei Tage am einwöchigen Neustadt-Lehrgang teil, diesmal immerhin mit 14 Personen, angeführt von unserem engagierten Cheftrainer Manfred Sponberg, dessen Organisationstalent es zu verdanken war, dass unser Lager am Gogenkrog-Sportplatz um das große Vereins-Gemeinschaftszelt erweitert werden konnte. Egal ob Regen oder Sonnenschein, freuten sich alle auf den hier gebotenen intensiven Abschluss des 1. Karatehalbjahres in Verbindung mit einem Vorgeschmack auf die Sommerferien bzw. den Urlaub. Dieser Traditionslehrgang ist sozusagen ein multikulturelles innerdeutsches Karate-Ereignis, zu hören an den gesprochenen unterschiedlichen Mundarten von Sächsisch bis Bayerisch und zu sehen an den Vereinsaufnähern an den Gis. Die zahlreichen Teilnehmer erwartete das gleiche Trainerteam wie in den Vorjahren, seit dem letzten Mal bereichert um den mehrfachen Kata-Welt- und Europameister Luca Valdesi, der als Hauptattraktion der Veranstaltung am Tag seines Auftritts zweifellos für die vollste Halle sorgte.

Wir starteten am Montag mit dem holländischen Wado-Ryu Altmeister Rob Zwartjes, dessen Unterricht immer hohen Unterhaltungswert garantiert. Zwartjes legt Wert auf Bewegungsfluss statt brachialer Technik, deren Arretierung aus seiner Sicht zeitraubende Unterbrechung bedeutet. Seine Devise ist: Locker bleiben, nicht getroffen werden; variabel in der Beweglichkeit sein; nie die Deckung vergessen; keine Selbstverletzungshärte bei der Abwehr, sondern ableitende Techniken, dabei zurück- und wieder vorgleiten wie eine Welle. In diesem Sinne ließ uns Rob Partnerübungen durchführen, und erheiterte uns immer wieder mit der Untermalung seiner pointierten Kommentare. Vortrefflich z. B. seine Demonstration des „toten Beines“ beim klassischen Suri-Ashi.

Dass der Ostseelehrgang sich zu einer Plattform etabliert hat, von der überregionale Koshinkan-Impulse ausgehen, bildeten die Vertreter dieses Stils, Ralf Brachmann, Albrecht Pflüger und der Lehrgangsveranstalter Wolfgang Hagge, in ihren Trainingseinheiten deutlich ab. Ralf Brachmann, indem er uns einige Besonderheiten des Koshinkan-Kihon und -Kumite vermittelte. Einerseits 90°- und 180°-Wendungen zur offenen oder geschlossenen Körperseite aus Jiyu-Kamae, andererseits die exemplarische Einstudierung eines differenzierten Angriffs- und Abwehrverlaufs mit Partner, bei dem Uke nach der Abwehr mit einer Angriffstechnik nachsetzt, beide stets in Deckungsbereitschaft bleibend, statt Hikite auszuführen. Zugegebenermaßen brauchte ich am Mittwoch erst die erneute ausführliche Einlassung Wolfgang Hagges auf die Koshinkan-Wendungen, um diese auch im Durcheinanderzählen und mit Folgetechnik (fast) unverzögert und (so gut wie) fehlerfrei mitmachen zu können. Schwerpunktmäßig hatte Wolfgang jedoch einige auf die Turnierrealität abgestimmte Kumite-Übungen auf Lager, die uns den Einsatz unseres ganzen Karate-Potentials abverlangten, vor allem Hüftbeweglichkeit. Albrecht Pflüger unterstrich in seinen Trainingsstunden, dass Koshinkan-Karate wesentlich auch eine Kampf-kunst zur Selbstverteidigung ist. Er zeigte, dass hier relativ wenige Anwendungsbeispiele situationsabhängig zu einem schier unbegrenzten Repertoire variiert werden können. Mittig gehaltene Hände, so Albrecht, bieten die vielfältigsten Möglichkeiten eine Schutzaktion zu entwickeln. Wir übten exemplarisch mit Tai-Sabaki gleichzeitig den Arm auf die Angriffshände fallen zu lassen und in Fortsetzung der Bewegung den Gegner zu Fall zu bringen, dann auch verschiedene überzeugende Techniken, sich gegen Würgehände zu wehren.

Der Dienstag gehörte ganz der Lehrgangsattraktion Luca Valdesi. Er übte mit uns in seinen vier Einheiten anspruchsvolle Bewegungsabläufe in Grundschul-Form – ungewohnt dabei der Shiko-Dachi – nahe an der Kata Kanku-Sho, rief uns zwischendurch immer wieder zusammen, um uns sein Verständnis der Techniken zu erläutern und unglaublich kraftvoll und dynamisch zu demonstrieren. Indem er dabei auch bereitwillig auf Fragen der Teilnehmer einging, kam zwar das im Programm angekündigte Bunkai zur Kata etwas zu kurz, aber das konnte man angesichts seiner meisterhaften Präsenz vergessen. Auf vielfachen Wunsch setzte Luca mit der phantastischen Darbietung der Kata Unsu seinem Unterricht noch ein finales Glanzlicht auf.

Zwei weitere Höhepunkte dieses Lehrgangs sollen nicht unerwähnt bleiben: Zum einen die feierliche Ehrung des Karate-Pioniers Albrecht Pflüger mit dem 8. DAN für sein einzigartiges Lebenswerk und die WKF-Ernennung von Rob Zwartjes zum international anerkannten 9. DAN, womit er auf einen Stand erhoben wurde, der bislang nur japanischen Großmeistern vorbehalten blieb. Zum anderen die Austragung des Ostseepokal-Turniers. Wir von IPPON Schleswig konnten in diesem Jahr zwar keine Kämpfer stellen, gleichwohl fieberten wir als Zuschauer leidenschaftlich mit. Hochspannung natürlich in erster Linie bei den Aktiven und ihrem Anhang, aber auch ein wenig bei den gerade noch vorher von Landesreferent Sven Ferner im Schützenhof qualifiziert vorbereiteten Kampfrichter-Anwärtern, deren Urteil hier teils zum ersten Mal gefragt war. Nachdem sich im starken Gefälle des Kumite- und Kata-Niveaus die Spreu vom Weizen getrennt hatte, setzte sich in den Endausscheidungen schließlich die Qualität durch und wurde zu Recht mit den bereit stehenden Pokalen belohnt.

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